Vor einer langen Zeit gab es einen Hirten, der seine Schafe zum Weiden auf eine hoch in den Bergen gelegene Alm brachte. Denn dort gab es im Sommer immer frisches Gras, sodass seine Schafe keinen Hunger litten. Und so tat er es auch diesem Tag. Es war ein sonniger und warmer Tag, die Schafe weideten friedlich auf der Alm und der Hirte saß bei seiner Hütte. Plötzlich, wie aus dem Nichts, stieß ein Adler herab, griff sich eines der Lämmer und folg mit ihm davon.
Aber nicht nur der Hirte war Zeuge dieses Vorfalls, auch eine Dohle. Die Dohle sah, wie anmutig sich der Adler von einem der hervorstehenden Felsen herab in das Tal stieß und Richtung der Alm flog. Wo er dann mit seinen kräftigen Klauen ein Lamm packte und zusammen mit diesem davonflog. Da dachte die Dohle, dass sie es dem Adler gleichtun könnte, und stürzte sich auf einen Widder und schlug dabei mit ihren Flügel wild um sich. Aber der Widder war viel zu groß und zu schwer für die kleine Dohle. Als sie bemerkte, dass sie sich übernommen hatte, war es schon zu spät. Ihre Klauen hatten sich in der Wolle des Widders verfangen und sie kam nicht los von ihm. Hilflos zappelte sie, mit den Flügeln umher aber es gab kein Fortkommen mehr, sie war in der Wolle des Widders gefangen. Der Hirte, der auf dem Weg zu der Herde war, sah das Schauspiel bereits von Weitem. Nachdem er bei den beiden ankam, packte er die Dohle und befreite sie aus der Falle, in die sie sich selbst gebracht hatte. Anschließend stutze er ihr die Flügel und nahm sie, als es Abend wurde mit zu sich nach Hause.
Dort angekommen warteten bereits die Kinder auf seine Rückkehr, nachdem sie hinein in die Stube gegangen waren, lies der Hirte die Dohle laufen. Da sie nicht mehr fliegen konnte, sprang sie hilflos im Zimmer herum und versucht sich vor den neugierigen Kindern zu verstecken. Als die Kinder das sahen, fingen sie an zu lachen und fragten ihren Vater, was für ein komischer Vogel das sei. Und er antwortete ihnen. »Ich weiß es ist eine Dohle, aber sie denkt, sie sei ein Adler. «